**Missverständnisse gibt es in jeder Beziehung. Wer lernt, mit ihnen umzugehen, lernt auch, leichter zu lieben.**

„Sag doch, was du willst!“, ruft Sarah wutentbrannt und stürmt aus dem Zimmer. Während die Scharniere der Tür noch mit der Wucht kämpfen, mit der diese gerade zugeschlagen worden ist, erscheint ein großes Fragezeichen in Leas Kopf. Und sie denkt: „Mach ich doch?“.

Sarah hatte Lea zuvor gefragt, was sie gerne am Wochenende machen würde. Lea hat von ihrer Woche erzählt, von den Projekten, die noch anstehen, von den Kolleg:innen, vom Stress. Und dann ist es plötzlich eskaliert.

Was da genau passiert ist, weiß Lea nicht. Doch sie weiß: Ihre Kommunikation mit Sarah ist fehlgeschlagen, nicht zum ersten Mal. Sie wünscht sich, dass sie endlich besser begreift, was da passiert. Für sie ist die Kommunikation manchmal wie eine große, verschlossene Wunderkiste.

## Beziehungskiste: Kommunikation

Öffnen wir diese Wunderkiste und wagen einen Blick hinein. Das einfachste Modell, um die Übertragung von Sinn und Unsinn in Form von Sprache zu beschreiben, spricht von einer Senderin und einem Empfänger. Dazwischen „passiert“ Kommunikation. Irgendwie.

Wer Sprache nutzt, um genau das zu tun, balanciert stets auf einem schmalen Mäuerchen. Dieses Mäuerchen verbindet Senderin und Empfänger. Die Steine dieses Mäuerchens bestehen zu einem Teil aus dem eigenen, sprich individuellen Ausdruck und der Persönlichkeit der Senderin. 

Der andere Teil der Steine besteht aus der Sprachwelt des/der anderen, der Konvention, um miteinander zu sprechen. Der Zement, der diese Steine zusammenhält, ist die Sprache selbst. Und die besteht nicht nur aus Worten, sondern auch aus Konventionen: Was „man“ sagt und was nicht, was (un)höflich ist, was es bedeutet, freundlich zu sein und ob es überhaupt wünschenswert ist, freundlich zu sein. Wenn du dir diese Mauer nun anschaust und keine Ahnung davon hast, was ich damit meine, dann falle ich, der diese Zeilen schreibt, geradewegs herunter.

Versuchen wir es nocheinmal und versehen alle Beteiligten mit Zahlen: Wenn zwei sprechen, will eine (1) dem anderen (2) etwas mitteilen (3). Dabei nutzt eine (1) beim Mitteilen (3) sowohl die eigene Sprach- und Erfahrungswelt, muss sich aber auch der Sprache bedienen, die der andere (2) kennt. **Kommunikation ist also immer ein Balanceakt zwischen Individualität und Konformität.**

Das System Sprache ein bisschen besser greifen zu können ist wichtig, damit Beziehungen leichter werden können. Denn jede:r bringt seine eigenen Erfahrungen mit in eine Beziehung. Wenn eine:r sagt „Lass mich doch in Ruhe!“, kann das schon mal heißen, dass er oder sie sich eigentlich nach Zuwendung sehnt. Doch vielleicht bedeutet der Satz bei dem/der Partner:in genau das: Der Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden. Wie können wir nun herausfinden, was unser Gegenüber tatsächlich meint?

Die Antwort liegt in der Kommunikation selbst: Wir kommen nicht drum herum, nachzufragen. Bevor wir aber nachfragen, hilft es, wenn wir uns und dem/der Partner:in bewusst machen, dass wir nicht immer verstehen können, was der/die andere meint.

Beziehungen zu führen heißt auch, sich gegenseitig zu öffnen und eine neue Form der Kommunikation zu finden. Jede Beziehung hat ihre eigene Sprache, ihre eigenen Konventionen.

Der Soziologe Ervin Goffmann führte hier das Konzept der sozialen Rollen ein. In seinem Text „Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag“ führte er aus, dass jede Beziehung ihre eigenen Regeln mit sich bringt: Ich als Partner:in, ich als beste:r Freund:in, ich als Arbeitskolleg:in, ich als Kund:in im Supermarkt. Und für jede dieser Rollen gibt es ein eigenes, ungeschriebenes Regelwerk für Verhalten und für die Sprache. Wäre doch komisch, wenn wir in der Bäckerei genauso sprechen wie beim Sex.

## Unterschiede akzeptieren

Wenn dieser erste Schritt getan ist, geht es ans Kleingedruckte: Unterschiede in der Sprache entziffern und auch Unterschiede in der Direktheit wertschätzen. Manche Menschen neigen dazu, Dinge „um die Ecke zu sagen“, während andere die direkte Kommunikation schätzen. Wenn sich darüber beide Seiten bewusst sind, ist schon viel gewonnen.

Zurück zu Sarah und Lea. Wie können wir ihnen helfen? Sobald Sarah zurück ist, wird sich die erste Empörung ein bisschen gelegt haben. Danach wird es Zeit, behutsam miteinander zu sprechen. Lea könnte zum Beispiel fragen, was es war, dass Sarah so aufgebracht hat. Sarah wird dann sagen, dass es sie stört, wenn Lea nicht genau sagt, was sie eigentlich meint, sondern ihre Wünsche indirekt ausdrückt. Lea wird ihr erklären können, dass sie einfach noch nicht weiß, wie es ihr am Freitagabend gehen wird und dass sie genau das mit ihrer Erzählung auch ausdrücken wollte.

Dann wird es an beiden liegen, zu versuchen, die andere zu verstehen – und eine gemeinsame, kompromissbereite Sprache zu finden. Und zwar so, dass das Mäuerchen nicht zur Mauer wird.

*Du liebst deine:n Partner:in, aber ihr versteht euch immer wieder falsch? Missverständnisse sind bei euch an der Tagesordnung? Buche noch heute einen Termin mit einer oder einem unserer Coaches – lass uns drüber reden!*

Quelle: Ervin Goffmann: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Piper Verlag, 2003.

Miteinander richtig sprechen zu lernen ist das Grundrezept, um leichter zu lieben. Dabei hilft die Erkenntnis: Kommunikation ist die Balance zwischen Individualität und Konformität.

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„Sag doch, was du willst!“ – Von der Kunst, miteinander zu sprechen