**Stressverschärfende Denkmuster können tief in uns verwurzelt sein. Doch wer sie erkennt, tut einen wichtigen Schritt, um mit ihnen fertig zu werden.**

Lena hat Stress. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Rechnungen, die Benachrichtigungen auf ihrem Handy lassen sie wissen, dass sie noch einige Nachrichten beantworten muss. Ihr E-Mail-Postfach will sie eigentlich schon gar nicht mehr aufmachen. Doch selbst wenn sie wollte, hat sie keine Zeit dafür: Das nächste Online-Meeting steht sowieso schon in 5 Minuten an. Und nachher dann noch Yoga. „Mist“, denkt sie sich, „Wie komme ich nur mit all dem Stress klar? Das schaffe ich doch nie!“

## Stress ist, was wir daraus machen

Das, worunter Lisa leidet, nennt sich chronischer Stress – also die Art von Stress, die der Alltag mit sich bringt, wenn man ihn zulässt. Dieser Stress wird zunächst durch äußere Einflüsse ausgelöst, in der Forschung spricht man von *äußeren* *Stressoren*. Diese können etwa eine hohe Belastung auf Arbeit, Ärger in der Partnerschaft oder auch sozialer Druck sein.

Die Effekte, die der Stress auf unser Wohlbefinden haben, entstehen aber erst im Kopf. Und das kann verheerende Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Das belegt unter anderem eine Studie aus dem Jahr 2012. Dort wurden 30.000 Menschen auf ihr Stresslevel hin getestet. Es stellte sich heraus, dass bei den Menschen, die viel Stress hatten, die Wahrscheinlichkeit, im folgenden Jahr zu sterben, um 43 Prozent stieg. Der Clou an der Sache: Das galt nur für die Menschen, die auch davon ausgehen, dass sich Stress lebensgefährdend auswirken kann. Die Menschen, die gelassen mit Stress umgehen, hatten kein höheres Risikio zu sterben.

Wir sehen: Es kommt ganz darauf an, welchen Stellenwert wir dem Stress in unserem Leben einräumen und wie wir ihn bewerten. Und das haben wir selbst in der Hand. Es kommt also immer darauf an, wie wir den Stress, den wir haben, bewerten. Dabei setzen wir uns, um es mit dem Psychologen Gert Kaluza auszudrücken, zu den Stressoren „selbst aktiv ins Verhältnis“. Es liegt fast auf der Hand: Wer weniger Stress will, sollte sich anschauen, wie er mit seinen Stressoren umgeht.

## Stressverschärfende Denkmuster

Wenn Lisa zum Beispiel denkt, dass sie es nie schafft, ihre Aufgaben zu bewältigen, gerät sie in ein *stressverschärfendes Denkmuster*. 

Indem wir schwierige Hürden als unüberbrückbar bewerten oder uns der Realität gedanklich entziehen („Das klappt auf keinen Fall!“), werden sie in unserem Kopf schwieriger, als sie vielleicht in Wahrheit sind. Das Problem, vor dem wir stehen – etwa alle Termine der Woche unter einen Hut zu bekommen – wird durch unsere Bewertung („Das funktioniert nicht“) plötzlich viel größer als es ist.

Wir würzen unseren eigenen Stresseintopf also mit einer ordentlichen Portion Chili, bis er uns fast um die Ohren fliegt. Eine weitere Möglichkeit, um ihn noch schärfer zu machen, sind *negative Verallgemeinerungen*. Dabei greifen wir auf Erinnerungen an die Vergangenheit zurück, in denen etwas schief gegangen ist und münzen diese Erfahrung auf die Gegenwart. 

Lisa denkt etwa: „Schon als Kind war es für mich schwierig, mich mit mehreren Freunden an einem Tag zu treffen. Dann schaffe ich das heute auch nicht“. Eng damit verknüpft ist das *Defizit-Denken*. Dabei fokussieren wir uns auf die Dinge, die wir nicht können sowie eigene wahrgenommene Schwächen und gehen davon aus, dass wir bevorstehende Aufgaben deswegen sowieso nicht erledigen können.

Wo wir schon dabei sind: Auch das *Negative-Konsequenzen-Denken* ist ein Garant dafür, unseren Stress zu verstärken. Wenn wir uns auf eine wichtige Prüfung vorbereiten und immerzu daran denken, was passiert, wenn wir sie nicht bestehen, bekommen wir den Kopf nicht frei für die Vorbereitung. Wir sind so damit beschäftigt, uns auszumalen, wie es ist, wenn wir es nicht schaffen, dass uns die Aufgabe langsam zu erdrücken droht.

Ein zusätzliches stressverschärfendes Denkmuster ist das Personalisieren. Hier beziehen wir die negativen Dinge auf uns selbst beziehungsweise unsere Person. Ob wir nun im Stau stehen, unser Gegenüber schlechte Laune hat, es schon wieder an unserem freien Tag regnet oder die Internetverbindung schlecht ist: Das ist nur wegen uns so!

## Wie kann ich mit Stress besser umgehen?

Ein erster Schritt, um Stress besser zu begegnen ist es, seine *stressverschärfenden Denkmuster* zu checken. Denn wie Jeremy P. Jamieson et al. in einer Studie dargelegt haben, verändert schon die Einstellung, die wir zum Stress haben, die Art und Weise, wie er sich auf unsere körperliche Gesundheit auswirkt. 

So zeigten diejenigen Teilnehmer:innen der Studie, die gelernt hatten, mit Stress konstruktiv umzugehen, viel gesündere Reaktionen auf Stress. Sie waren weniger ängstlich und gestresst, selbstbewusster und selbst ihr Körper reagierte anders auf Stressreaktionen. Anstatt sich zu verengen, waren ihre Herzgefäße weiter geöffnet - eine Reaktion, die auch in Situationen auftaucht, in denen Menschen Mut beweisen oder Freude empfinden. Doch wie können wir das nun in die Praxis umsetzen?

Wenn du das nächste Mal im Stress bist, halte kurz inne und versuche zu überprüfen, wie du die Situation bewertest:

- Verwendest du bei der Bewertung Begriffe wie „niemals“, „auf keinen Fall“, „schon immer“ und hast das Gefühl, dass es sowieso nicht klappt?
- Denkst du bei der Bewertung daran, was du nicht kannst und noch nie konntest und kommst deswegen ins Straucheln?
- Denkst du anstatt an die Lösung des Problems daran, was passiert, wenn du es nicht schaffst?
- Hast du das Gefühl, dass alles, was schief geht, mit dir zu tun hat?

Wenn du eine oder mehrere dieser Fragen mit Ja beantwortest, hast du schon einen guten Ansatzpunkt dafür, wo du deinen Stress verschärfst, statt ihn zu lindern. Schau dir nun die Gedankengänge, die du dabei hast genau an, schreibe sie auf und lass sie erst einmal liegen. Wenn du dann einen ruhigen Moment hast und weniger gestresst bist, schaue sie dir nochmal an: Ist es wirklich so schlimm, wie du es dir vorstellst?

Wer seine stressverschärfenden Denkmuster erkennt, hat schon einen wichtigen Schritt getan, um besser mit Stress umzugehen. Denn es geht darum, Distanz zwischen sich und diese Ansätze zu bringen. Doch das ist mühsame Fleißarbeit, schließlich begleiten uns solche Denkmuster schon eine lange Zeit, unser Gehirn ist darin geübt, sie immer und immer wieder zu denken.

Wenn du das nächste Mal ein stressverschärfendes Denkmuster bei dir erkennst, versuche auf Abstand zu gehen. Mit etwas Übung kannst du auch versuchen, sie durch positivere oder zumindest neutralere Gedanken zu ersetzen.

Der gesunde Umgang mit Stress is schließlich auch eine wichtige Fähigkeit, um unsere Beziehungsgesundheit zu verbessern. Ob zu uns selbst oder zu anderen: Stressverschärfende Denkmuster verschärfen auch die Spannungen in unseren Beziehungen.

*Du kennst deine stressverschärfenden Denkmuster, aber kannst sie einfach nicht loslassen? Stress belastet deine Beziehung und du würdest ihn gerne hinter dir lassen? Buche eine Probesession mit einer unserer Coaches und sprich darüber – wir finden da sicher eine Lösung!*

Quellen: 

Abiola Keller et al., “Does the perception that stress affects health matter? The association with health and mortality”, Health Psychology, September 2012.

Gert Kaluza: "Gelassen und sicher im Stress: Das Stresskompetenz-Buch: Stress erkennen, verstehen, bewältigen", 2007. 

Jeremy P. Jamieson et al., “Mind over matter: Reappraising arousal improves cardiovascular and cognitive responses to stress”, Journal of Experimental Psychology, August 2012


Zu viel Stress kann verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Wenn wir lernen, unsere stressverschärfenden Denkmuster zu erkennen, lernen wir besser mit ihm umzugehen.

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„Ich schaffe das doch nie!“ – Stressverschärfende Denkmuster überwinden